Geheimnisverrat

Im Nato-Hauptquartier hatte ich die Geheimhaltungsstufe "vertraulich", auf englisch "confidential". Immer, wenn ich ein Dokument mit dem Stempel "confidential" in den Händen hielt, durfte ich damit nicht prahlen und es allen zeigen. Sollte es nach gehöriger Kenntnisnahme aber auch nicht essen, dazu brauchst du die Geheimhaltungsstufe "very confidential", dann musst du jedes Handout runterwürgen, und hast nicht mal Zeit, mit einem Klaren dafür zu sorgen, daß es rutscht. Das ist Kalter Krieg vom Feinsten, ich kann euch sagen... Also, mir war einiges anvertraut, aufgebürdet, wenn ich als Melder von Unterstand zu Unterstand hin und herzuwieseln hatte, oder mich als Kabelaffe von einer kommunikativen Liane zur nächsten hangelte. Es waren Abenteuer ohne gleichen. Der Iwan würde kommen, früher oder später, davon musste man ausgehen. Für den Iwan ist Europa bloß der Stecknadelkopf einer riesigen Landmasse. Mit seiner infernalischen MiG 21 kommt er durch das Dingsda bei Fulda, The Gap, mitten rein in die westliche Wonne. Und dann würde er aus allen Rohren feuern und uns das freie Leben kaputtschießen, so einer ist er nämlich, der Iwan. Er verbreitet den Schrecken. Wie ein Reißwolf unter einer friedlich den Planeten abgrasenden Herde Schafe. Und wir in The Supreme Headquarters sollten aus!ein!ander!spritzen, alle Mann, auch die Feldhamster, die stets mit vollen Backen in The Supreme Headquarters Kantine saßen und mümmelten, mümmelten, all das französische, das amerikanische Futter - nix wie weg, wieseln, ab in die Büsche da bei Fontainebleau, Büsche und Felsen, ich sag's euch, das war der Masterplan unserer genialischen Oberbefehlshaber. Einen Tarnstand nach dem anderen würde der Iwan ausradieren, und es sollten immer neue entstehen und dreißig Minuten durchhalten. Das war The Secret, so weit es mich betraf und den Stab, dem ich zugeteilt war. Dem letzten Stand aber würde das Licht und alles Kommunikative für immer ausgeknipst. Naja, vor dem Kasernentor drückte sich des Iwans Fünfte Kolonne herum. Da waren Autohändler, Schnaps- und Drogendealer, ja. Und Mädchen, also, die... ich weiß nicht, die hatten was, also, eine handtasche hatten die, und darin oft ein Schnupftuch, auch ein Schminktäschchen. Das war schon ziemlich faszinierend. Der Autohändler umschmeichelt dich, sobald du zur Freizeitgestaltung aus dem Tor trittst, er bietet dir einen Simca an, so gut wie neu, für ein paar hundert Francs, und dann noch auf Raten. Der Pastice, Le Ricard, das gelbe Gesöffchen, das geht auch gut runter. Naja, und die Mädels. Sie nehmen dich zu einer Spritztour mit, eine Sause, draußen im Gebüsch. Zwischen den Felsen. Da sollst du ihnen was ins Ohr flüstern. Hab' ich alles gemacht. Ist doch klar. Hab' alles Anvertraute ausgeplaudert, konnt's einfach nicht bei mir behalten. Noch bevor ich richtig zum Schuss kam, war's draußen.

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