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Es werden Posts vom März, 2024 angezeigt.

In Vitrinen der Erinnerung

Heute präsentiere ich den Besuchern meines Heimatmusuems ein neues Ausstellungsstück. Ich stelle es unter Glas wie unter Beweis. Es lautet. Es heißt: Der Zwischenruf. Buh! war mein erster, es kann auch Pfui! gewesen sein. Jedenfalls geschah's beim Freundschaftsspiel Lüdenscheid 08 gegen Schalke 04 im Jahnstadion und war in den 50er Jahren. Bernie Klodt rannte wieselflink die Seitenlinie rauf und runter. Das nannte man Schalker Kreisel. Immer wieder schrillten Pfiffe. Der Schiedsrichter wurde ans Telefon gerufen. Ein Ruf nach Verständigung, so fasste ich es auf, es hieß so viel wie "Diese Pfeife muss man aus dem Verkehr ziehen!". Später im Leben kam der Schah von Persien an. In Deutschland, beim deutschen Publikum kam er gut an. Reza Pachlewi oder das gute Stück hieß. Angereist kam es mit seiner Farah Diba. Dann kam noch der Adolf von Thadden an, der General Franco kam an, der Kanzler Kiesinger. Vorwärts stürmende Gestalten, sie zogen Kreise. Der Schah etwa, er hatte die...

Einmal in Belgorod (Teil 2)

Die Tage in Belgorod waren beschaulich und spätsommerlich. Da war keine Hektik, kein aufgedrehtes Getue. Morgens ab acht legte ich mich ein paar Stunden ins Zeug, gab die Kurse. Nachmittags ab zwei, drei war frei. Zeit für einen Stadtbummel. Oder eine Spritztour mit der Klapperkiste, sie hatten das Werkzeug vom Rücksitz eins weiter nach hinten geschmissen, in den Kofferraum, da klapperte es lustig weiter. Wir quetschten uns rein, meistens zu dritt, einmal zu viert, das war eng. In China bin ich verdammtnochmal besser gefahren. Bequemer. Und habe dafür noch weniger geackert, in den letzen drei Jahren bloß noch von Montag bis Mittwoch, morgens von acht bis zwölf, manchmal eine Nachmittagsstunde mit meinen drei chinesischen Kolleginnen, wir lasen Franz Böni, ein paar andere Schweizer, Österreicher, Erzählungen von Kafka. Dazu gab es hausgemachte Frühlingsröllchen mit allerlei Füllung. Lecker. Beste Lehrerinnenfortbildung aller Zeiten. In Belgorod besorgte ich mir nach dem Stadtbummel ...

Einmal in Belgorod

Ich sage nicht "...und nie wieder!" Ich sage nie "Nie wieder!". Ist mir zu blöd, dieses Niewiedersagen. Wir fuhren von Moskau nach Kursk. Nathalie am Fenster gegenüber. Die Orte, die Namen. Hügeliges Land. Der Große Vaterländische Krieg. Die Panzerschlacht. Größte Panzerschlacht aller Zeiten. Der Zug tackert durch die Geschichte. Die Geschichte wiederholt sich. Mal als Drama, mal als Komödie. Heute als Seifenoper in tausendundeiner endlosen Folge. Alles derselbe Schwellenschlag. Frühmorgens kamen wir in Belgorod an. Der Bahnhof leer. Nathalies Mann holte jns ab. Ein klappriges Gefährt, auf dem Rücksitz Werkzeug, ich quetschte mich mit meiner Tasche dazu. Nathalie zeigte mir mein Zimmer. Ein Hochhaus, 8. Stock. Gegenüber andere Hochhäuser. Unten ein Hof. Männer in Tarnzeug stehen um ein klappriges Auto herum und haben Zeit. Sie lassen eine Flasche kreisen. Sprudelwasser, so wie's aussieht. Zwischen den Häusern ein Blick nach Osten, in die steppe, Richtung...

Geheimnisverrat

Im Nato-Hauptquartier hatte ich die Geheimhaltungsstufe "vertraulich", auf englisch "confidential". Immer, wenn ich ein Dokument mit dem Stempel "confidential" in den Händen hielt, durfte ich damit nicht prahlen und es allen zeigen. Sollte es nach gehöriger Kenntnisnahme aber auch nicht essen, dazu brauchst du die Geheimhaltungsstufe "very confidential", dann musst du jedes Handout runterwürgen, und hast nicht mal Zeit, mit einem Klaren dafür zu sorgen, daß es rutscht. Das ist Kalter Krieg vom Feinsten, ich kann euch sagen... Also, mir war einiges anvertraut, aufgebürdet, wenn ich als Melder von Unterstand zu Unterstand hin und herzuwieseln hatte, oder mich als Kabelaffe von einer kommunikativen Liane zur nächsten hangelte. Es waren Abenteuer ohne gleichen. Der Iwan würde kommen, früher oder später, davon musste man ausgehen. Für den Iwan ist Europa bloß der Stecknadelkopf einer riesigen Landmasse. Mit seiner infernalischen MiG 21 kommt er du...