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Ein romantisches Lied
Daten klingen nicht. Fakten haben keine Resonanz. Zu den Fakten mag man ein "knallhart" hinzusetzen, das macht dann zwar Lärm, es donnert, es urteilt und wütet. Doch es klingt nicht, hallt nicht wider. Es ist kein Lied darin, auch dann nicht, wenn, belegt mit knallharten Fakten, ein Klagelied über die Lippen kommt.
Die Romantiker, diese seltsamen Käuze, hören gerne ihren großen Uhu-Guru durch die Nacht rufen, den Freiherrn Joseph von Eichendorff: Schläft ein Lied in allen Dingen // Die da träumen fort und fort // Und die Welt hebt an zu singen // Triffst du nur das Zauberwort.
Ich treffe das Zauberwort, ich rufe "Aufwachen!" in den romantischen Schlafsaal hinein. Nichts passiert, alles schnorchelt weiter wie gehabt.
Nein, mit den Romantikern ist kein Lied anzustimmen. Da ist kein Schmiss drin. Sie sind auf das Wort fixiert, das Wort ist ihr Universaldosenöffner. Für sie ist das Lied gesungene Sprache. Es dient einer Kommunikation. Zum Beispiel "So ein Tag, so wunderschön wie heute...", da kommt Stimmung auf.
Das ist Romantik. Das ist romantischer Gesang. Stimmungsmache.
Olé! Olé-olé-olé!
Schießprügelgesang. Mit Kaliber. Full Heavy Metal Jacket.
40.000 Watt verstärkt.
Doch ohne Volumen, ohne Resonanz.
Dagegen das Kinderlied vom Maikäfer, vom abgebrannten Pommernland: Welch ein Widerhall!
Europa den wahren Europäern!
Ich bin kein Europäer. Oder doch? Bin doch bloß ein alter Sack. Wohne behaglich am Ettersberg über Weimar, ein Stück unterhalb des Buchenwald KZ. Ein Alter vom Berg wäre ich gerne, einer, dem Sektierer folgen, Häretiker. Eine Gruppe, die Europa hinter sich bringt. Statt Europa aufzubringen gegen sich selbst. So wie man einen Standpunkt, einen unerschütterlich festen, hinter sich bringen muss, wenn man die Freiheit erahnen möchte, die hinter den Überzeugungen liegt wie hinter himmelhoch jauchzenden Fels-Ungetümen. Europa! In Europa herrscht jetzt die Multitude, eine Menge Mixtur, Mischung bis rein in die Kochtöpfe. Man nennt das Prahme. Tausend Plateaus herrschen, das nackte Alles-Geht ist Fakt, das Nichts-ist-unmöglich von Toyota. Was früher Wunschtraum war, ist endgültig Wirklichkeit geworden. Und Alptraum. So bin ich kein Europäer, kann keiner sein. Da wächst ein Unbehagen. Ich befinde mich nicht in der postkolonialen Situation. Finde mich da nicht ein, finde mich damit nicht ab....
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