Schlachtenbummler Eine Woche später stand ich aufrecht wie der Homo Sapiens und mit beiden Beinen fest auf dem Boden schrecklicher Tatsachen. Unter mir das Schlachtfeld von Khe San. Die Erde bebte noch und zitterte, sie war vermint bis zum Horizont, man durfte das Feld nur mit zwei Führern betreten, einer vorweg, einer hintendran. Und weiche keinen Finger breit von deinem Wege ab! So summte ich die alte Weise von Treu & Redlichkeit vor mich hin. Jedes Abweichen hätte Wumm bedeuten können, Wumm, du bist hin, oder hast ein Bein ab, das ist schrecklich. Doch so sind die Menschen: immer dafür zu haben, dir das Licht auszupusten oder dir was abzuzwacken. Und wenn du so ein Bein abhast, dann bist du immer noch kein Vietnam-Veteran, nur ein Depp. Der Boden schrecklicher Tatsachen. Dahin also führt der aufrechte Gang. Ich stand in Sinnen und schaute von oben hinab auf ein Plateau, groß wie zwei Fußballfelder, grün wie ein Rasen, da hatten die Amis im Krieg ihr Lager, und dann war der General Giap in einer Frühjahrsoffensive mit dem Namen Tet über sie gekommen und hatte ihnen die vernichtende, so sagt man wohl - die vernichtende Niederlage, nun ja... beigefügt. Das tat weh, das konnte ich sehen und hören, den Lärm, das Geschrei. Weit und breit war keine Menschenseele, kein Ehrenmal, kein Gedenkstein, und doch war alles da, alles ganz plastisch. Ich sah die G.I.s aus dem Hubschrauber springen, ich hörte die Kriegsmusik, Mick Jagger, der Hampelmann, Jumpin' Jack Flash, Brown Sugar You Gonna Taste So Good, und Good Morning Vietnam, Here Comes The Sun, The Doors, This Is The End. Krieg ist Musik in meinen Ohren. So musst du die Kriegsgeschichten rekonstruieren, schreiben. Als Musik in deinen Ohren. Der Vietnamkrieg wurde von Kiffer- und Hippie-Musik befeuert. Befeuert sag' ich und schreibe: nicht untermalt, nein, animiert. Und da unten sind sie gefallen, die Jumpin' Jack Flash, in der Hölle von Khe San. In dem Augenblick, der eine lange Weile währte, kamen von hinten im Gänsemarsch zwischen ihren zwei Feldhütern noch zwei weitere Schlachtenbummler heran. Eine Frau in den Vierzigern, und ein Junge, fünfzehn, sechzehn. Sie fragte mich gleich auf Amerikanisch, ob ich auch hier sei to commemorate. Und ich sagte, nein, nicht so wie sie, denn sie hatte ihren Ehemann, und der Sohn den Vater, hier, an Ort und Stelle verloren. Und ich hatte hier nichts verloren, es sei denn, dieser Blick auf das Schlachtfeld führe einen Verlust herbei. Ihr Verlust tat mir herzlich leid, mein möglicher Verlust wollte mich eher belustigen. Und so trafen wir uns am Abend zu dritt in Hue wieder, wo sie in demselben Hotel wie ich ein Zimmer genommen hatte. Amerikanischer Whisky, Vietnamesischer Schlangenlikör, igitt, zwei Dosen Heineken. Und Frühlingsröllchen, daran erinnere ich mich noch genau. Ich habe sie Tet-Röllchen genannt, in Erinnerung an den General Giap, der ihrem Mann den Tod gebracht hat. Das fand sie recht lustig...

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