Musikgeschichten (1)
Stenka Rasin
Die Don-Kosaken waren gekommen, ein kriegerischer Haufen. Ich glaube, es waren ausschließlich Männer, Kosakinnen gab's keine zu bestaunen. Mannhaft lagerten die Don-Kosaken auf dem Sportplatz an der Bismarcksäule. Wie Prinz Eugen, der Edle Ritter, im Kampf gegen die Türken lagert. In dem Lied von Theodor Fontane. Zelte, Posten, Wer-da-Rufer // Lust'ge Nacht am Donau-Ufer. Donau, Don, Donbass - Richtung Südost, weit hinter dem Eisernen Vorhang. Sie lagerten, ringsum war alles Lüdenscheid und Sauerland. Ihre Pferde hatten sie angepflockt. Das Schnauben war Musik in meinen Ohren. Der Geruch versprach Zirkus. Am nächsten Nachmittag zeigten sie Reiterkunststücke, ich war dabei, schaute zu. Als es dämmerte, traten sie zum Singen an. Reitstiefel, schmissige Feldhamsterhosen, Arme vor der Brust verschränkt. Das war der berühmte Donkosakenchor, geleitet von dem kleinen krummbeinigen Mann, dessen Namen ich vergessen habe. Seine Dirigentengesten aber nicht. Sie sangen das Lied vom Räuberhauptmann Stenka Rasin. Das ist ihre Nationalhymne. Die Donbässe kamen gewaltig, sie trugen mich fort. Ich stehe da, zwölf, dreizehn Jahre alt - überwältigt. Mir steigen Tränen ins Auge, heute noch. Stenka Rasin.
Europa den wahren Europäern!
Ich bin kein Europäer. Oder doch? Bin doch bloß ein alter Sack. Wohne behaglich am Ettersberg über Weimar, ein Stück unterhalb des Buchenwald KZ. Ein Alter vom Berg wäre ich gerne, einer, dem Sektierer folgen, Häretiker. Eine Gruppe, die Europa hinter sich bringt. Statt Europa aufzubringen gegen sich selbst. So wie man einen Standpunkt, einen unerschütterlich festen, hinter sich bringen muss, wenn man die Freiheit erahnen möchte, die hinter den Überzeugungen liegt wie hinter himmelhoch jauchzenden Fels-Ungetümen. Europa! In Europa herrscht jetzt die Multitude, eine Menge Mixtur, Mischung bis rein in die Kochtöpfe. Man nennt das Prahme. Tausend Plateaus herrschen, das nackte Alles-Geht ist Fakt, das Nichts-ist-unmöglich von Toyota. Was früher Wunschtraum war, ist endgültig Wirklichkeit geworden. Und Alptraum. So bin ich kein Europäer, kann keiner sein. Da wächst ein Unbehagen. Ich befinde mich nicht in der postkolonialen Situation. Finde mich da nicht ein, finde mich damit nicht ab....
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