Kriegsglück (2)

Der Krieg kommt, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Nach der Friedenspredigt treten die Gläubigen aus dem Gotteshaus raus in die frische Kriegsluft und laufen rüber ins Gasthaus Zum Universellen Soldaten. Da zechen sie und singen Bob Dylan: He's fighting for Canada, he's fighting for France // Fighting for the USA. Auch mich juckt es in den Fingern, den Schreibstift wegzulegen und das kriegerische Stundenglas zu heben. Zum Gewehr zu greifen. Und ab, auf der schrägen Bahn hinein in tatendurstige Kameradschaft. Ein Lied auf den Lippen, zwo, drei: Heute wollen wir marschieren // Einen neuen Marsch probieren // Durch den schönen Westerwald // Ja, da weht der Wind so kalt... Vorderste Front. Das ist mir gerade recht. Modder. Latrinen. Parolen. Gulaschkanonaden. Und ich im Schützengraben, das Feldbesteck in der Hand, den Klappspaten und die hartgesottene Eierhandgranate im Gürtel. Ach! Bin unter Waffen groß geworden. Belgische Panzer, der gute Leopold vorne drauf, der Kongolöwe. Mit vier, fünf Jahren habe ich meine Treffsicherheit an der Spielzeugpistole geübt, päng-päng! Später habe ich die Schule der Nation besucht. Das hat mich nur trefflicher gemacht. Pistole. Auf 20 Schritt in die Brust. MG - The Machine Gun. 400, 600 Meter. Streufeuer, Sperrfeuer. Das Nahkampfmesser. Die geriffelte Klinge, damit man dem Feind in der Stellung den Wanst aufschlitzen kann. Und das Gewehr. K 42. Ein Karabiner mit Haken und Ösen. Stets schussbereit. Ein Bajonett vorne dran. Die Braut des Soldaten Ach, was haben wir gekuschelt! Ich war Soldat und war es auch ganz gerne. Niemand musste mich einziehen. Bin freiwilligst hingegangen. Im Kalten Krieg war das Feindbild klar. Da der Iwan. Seine Spießgesellen. Die Hammer & Sichel Korona. Da die Schlitzaugen. Mao, Mau-Mau, Achmed ben Bella. Die Rote, die Gelbe Gefahr. Kommunisten, Ägypter, Mameluken. Alles Strauchdiebe, das kann ich euch sagen. Ist meine kalte Kriegserfahrung jetzt wieder gefragt? Kann ich sie noch einmal aufwärmen? In die Wagschale werfen? Wird man mich in den Volkssturm einbeziehen? Bekomne ich dann endlich den Vaterländischen Verdienstorden, der mir schon lange zusteht? Und wenn beim Volkssturm gerade keine moderne Waffe für mich übrig sein sollte: Ich könnte wohl auch einen Vorderlader stopfen, ohne mir das Auge wegzuschießen. Hab's damals bis zum Gefreiten in The Nato Headquarters gebracht. SHAPE hieß es, Supreme Headquarters Allied Forces Europe. In Fontainebleau bei Paris. Der Oberste Befehlshaber, der General Graf von Kielmannsegg, ist vor meinen Augen aus der Maximo Leader Limousine gestiegen. Mann, was eine Erscheinung! In vollem Wichs! Da bin ich sowas von strammgestanden. War dort Melder. Musste Meldungen weiterleiten. Es wäre im Ernstfall kriegsentscheidend gewesen. Daß die Meldung ankommt, meine ich. Und daß man die Flinte nicht in den Korn fallen lässt. Oder so. Musste auch manchmal des nachts unser Oberstes Treibstofflager bewachen. Immer im Kreis rum, am Zaun entlang. Die scharf geladene Braut auf der Schulter. Eines nachts begegnete ich einem Igel. Hörte ihn schnaufen. Wollte das Geräusch zunächst einem Kommunisten zuordnen. Da habe ich die Braut von der Schulter genommen, entsichert und mir überlegt, ob ich ihn kaltmachen sollte. Hab's dann gelassen, wollte die Kameraden nicht wecken, den Nato-Alarm auslösen. Und habe die Wachrunde fortgesetzt. Eins geraucht. Eins in mich hinei gesummt. Es steht ein Soldat am Wolgastrand // Hält Wache für sein Vaterland... Ja, an Romantik hat's im Kalten krieg nicht gefehlt. War im großen Nato-Manöver Tigersprung dabei. An vorderster Front. Mit dem Jeep unterwegs, Meldungen übermitteln. Von Tarnnetz zu Tarnnetz. Man konnte den verdammten Adressaten kaum ausmachen. Der Russe kam nämlich mit seiner infernalischen MiG 21 angerauscht. Kam durch die Fulda Gap. Und dann päng-päng. Rattatatt. Mordsgaudi. Tolle Tigersprünge. Der totale Ernst der Kriegshandlung. Ich war Kanonenfutter. Was wollte ich mehr? Ich war mit 20 am Ziel meiner Wünsche. Dann kam die APO. Da war's aus mit der Kriegstüchtigkeit.

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