Sprachglosse
Gestern ist mir das Wort 'Maßnahmenbündel' in die Quere gekommen. Auf den ersten Blick sah es aus wie ein Terminus Technicus für Regierungshandeln. Sehr handlich, das Maßnahmenbündel. Nein, ich hab's nicht in den falschen Hals gekriegt. Solche Wörter kommen mir in die Quere, nicht in den Hals. Es sind Querschläger, sie pfeifen wie Kugeln ums Eck, sirren um die Ohren. Man fragt sich: Wo sitzt der gottverdammte Heckenschütze? Wer und was macht da die Sprache zum Schießprügel? Wer hat da den Finger am Abzug?
Gestern kommt also dieses Wort angelaufen, Maßnahmenbündel, geduckt kommt es, unten auf einem Nachrichtenlaufband. Im Bild oben drüber sitzt einer und bewegt den Mund, er hat offensichtlich etwas zu melden, Nachrichten, was sonst, zuerst sind Traktoren zu sehen, der Landwirtschaftsminister, dann kommt der Gesundheitsminister vor - und das alles hat mich nicht weiter irritiert. Aber dieses geduckt laufende Wort Maßnahmenbündel, das ist mir in die Quere gekommen.
Ich dachte noch: Hoppla, du Bündel!". Italienisch fascio, Mehrzahl fasci, da kommt nämlich der Faschismus her. Seht, ihr Herren Lehrer, ich weiß was, ich schnipse den Finger! Aus der Bündelung wird Faschismus, eine Konzentration von Kraft und Macht, und aus der Konzentration kommt das Lager. Und wie kommt es nun, ihr Herrenlehrer, daß Maßnahmen gebündelt zum Faszinosum werden?
Wo nämlich die Nennmacht Nomenklatura das Nominelle bündelt, bringt sie die Nennkraft der Sprache und die Nennkraft jedes einzelnen Sprechers unter ihre Fittiche. Das ist Uniformierung. Gleichklang. Gleichschritt. Man wundert sich dann, oder wundert sich eben nicht mehr, daß in einer Zeitung hunderte, gar tausend Journalisten allesamt den gleichen Stiefel schreiben. Die Formatierung ist Formation, die Formation ist Inkorporation. Verkörperung. Da sitzt das Leibhaftige drin und wirkt jedes Wort.
So entsteht das Lager. Ob es nun Regierungslager, Zeitungslager, Rechtslager, Verwaltungslager ist - es bündelt seine Maßnahmen. Statt sie zu zerstreuen. Ein Bündel fügt sich ans andere. Und es beginnt der nächste Marsch auf Rom. Aufs Capitol. Auf Berlin.
Wie gesagt, das war gestern. Heute sind wir schon einen Gleichschritt weiter. Heute heißt die maßnahmengebündelte Zukunft Nachhaltigkeit.
Europa den wahren Europäern!
Ich bin kein Europäer. Oder doch? Bin doch bloß ein alter Sack. Wohne behaglich am Ettersberg über Weimar, ein Stück unterhalb des Buchenwald KZ. Ein Alter vom Berg wäre ich gerne, einer, dem Sektierer folgen, Häretiker. Eine Gruppe, die Europa hinter sich bringt. Statt Europa aufzubringen gegen sich selbst. So wie man einen Standpunkt, einen unerschütterlich festen, hinter sich bringen muss, wenn man die Freiheit erahnen möchte, die hinter den Überzeugungen liegt wie hinter himmelhoch jauchzenden Fels-Ungetümen. Europa! In Europa herrscht jetzt die Multitude, eine Menge Mixtur, Mischung bis rein in die Kochtöpfe. Man nennt das Prahme. Tausend Plateaus herrschen, das nackte Alles-Geht ist Fakt, das Nichts-ist-unmöglich von Toyota. Was früher Wunschtraum war, ist endgültig Wirklichkeit geworden. Und Alptraum. So bin ich kein Europäer, kann keiner sein. Da wächst ein Unbehagen. Ich befinde mich nicht in der postkolonialen Situation. Finde mich da nicht ein, finde mich damit nicht ab....
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